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Dürkopp (Bielefeld) 1892 |
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Burgers (Deventer, NL) 1893 |
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Dürkopp (Bielefeld) 1894 |
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Anker (Bielefeld) 1895 |
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Bell (Wolverhampton, GB) 1896 |
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Benetfink (London) 1897 |
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Concordia (Bielefeld) 1897 |
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Elmore (New York/London) 1897 |
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Eysink (Amersfoort, NL) 1896,
Haddon (London) 1897 |
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Unique (Lüttich, BE) 1897 |
Einleitung
Es hatte relativ unschuldig angefangen.
Bei der Beschäftigung mit Fahrrädern fiel mir auf, dass unterschiedliche Quellen die
verschiedenen Rahmenformen nicht immer einheitlich benennen. Besonders der Begriff
Schwanenhalsrahmen wurde mal für den alten deutschen Tourenrahmen mit doppelt
geschweiften Rohren, mal für die Damenversion des typischen Holland-Tourenrads verwendet.
Ich wollte mir "mal eben" Klarheit verschaffen, indem ich die Frage der
E-Mail-Verteilerliste der Fahrradsammler/Tilman
Wagenknecht vorlegte.
Trotz einer relativ geringen Zahl von Reaktionen hatte ich
mich im Nu in ein noch größeres terminologisches Netz verstrickt. Dieses Chaos möchte
ich an dieser Stelle zusammenfassen und zugleich versuchen, zu etwas mehr Klarheit
beizutragen.
Entwicklung
der Rahmenformen
Bei den Herrenrahmen ist die Rahmenform seit Anfang der 90er-Jahre des 19. Jahrhunderts
eindeutig: der Diamantrahmen ist für die weitaus meisten Zwecke noch immer die technisch
optimale Konstruktion. Als im ausgehenden 19. Jahrhundert auch immer mehr Damen das
Fahrrad entdeckten, suchte man nach einer für sie passenden Rahmenform. Diese Rahmen
mussten gegenüber den Herrenrahmen folgenden Anforderungen genügen:
- geringes Gewicht,
- tiefer und weiter Durchstieg
- und nicht zuletzt elegantes und zierliches Aussehen.
Das Resultat waren diverse vom Diamantrahmen abgeleitete Räder, die sich natürlich im
Verlauf der beiden Rohre zwischen Sattel- und Steuerrohr, aber auch in der Länge des
Steuerrohrs, der genauen Positionierung des Tretlagers und in der Radgröße (26 Zoll, 28
Zoll oder gemischt) unterschieden. Ein paar willkürliche Beispiele sind auf dieser Seite
abgebildet. 1898 berichtete der Radmarkt von dem "Umstand, dass noch alle möglichen
Variationen vorkommen und einzelne Fabriken selbst diesbez. ganz von einander verschiedene
Typen auf einmal in ihren Listen führen."
Modelle und
deren Benennung
Letztendlich kristallisierten sich international drei Grundformen für Damenrahmen heraus,
die jahrzehntelang miteinander konkurrierten. Diese Formen und ihre Benennung möchte ich
im Folgenden besprechen. Es wäre in diesem Zusammenhang übrigens interessant, der Frage
nachzugehen, welche Firmen im internationalen Vergleich wann mit wichtigen Neuerungen zu
der oben genannten Entwicklung beigetragen haben. Interessant und äußerst mühselig ...
Modell 1:
doppelt geschweifte Rohre
Die gängigste Variante dieses Modells hat genau genommen ein doppelt geschweiftes
Unterrohr und ein einfach gebogenes Oberrohr, das zum Steuerkopf hin gerade ausläuft.
Anfangs war aber z. T. auch das Oberrohr noch doppelt geschweift. Zwischen den beiden
Rohren befinden sich normalerweise zwei Stege. Mit seinem an das Vorderrad angelegten
Unterrohr bietet dieser Rahmen einen besonders weiten Durchstieg. Es ist der typische
deutsche Tourenrahmen, wie er schon in alten deutschen, aber auch englischen
Fahrradprospekten ab etwa 1897 zu finden ist. In Frankreich findet der Rahmen scheinbar
erst nach dem 1. Weltkrieg Verbreitung.
Wenngleich dieser Rahmen im Standardwerk
"Fahrradtechnik" von Winkler/Rauch als "S-Rahmen" zu Buche steht,
nennen ihn die meisten heute Schwanenhals. In Frankreich heißt er
genauso: col de cygne. Dasselbe gilt für die Niederlande (zwanehalsframe),
wo er aber früher wie heute fast überhaupt nicht vorkommt. Im englischen Sprachraum fand
ich die Bezeichnungen serpentine frame und double bent frame.
Modell 2:
gerades Unterrohr und einfach gebogenes, hochgezogenes Oberrohr
Variationsmöglichkeiten sind hierbei die Anzahl der Stege zwischen den Rohren (0, 1 oder
2) und der Verlauf des Oberrohres (das letzte Stück zum Steuerkopf hin gerade oder aber
Biegung über die gesamte Rohrlänge). Auch dieser Rahmen kommt in den 1890ern in
Deutschland und England viel vor. England ist jedoch das Land, in dem dieses Modell von
Anfang an dominiert und deshalb meist nur einfach "ladies' bicycle" genannt
wird. Es hat aber auch einen spezifischen Namen: loop frame. Auch in den
Niederlanden entwickelt sich dieser Rahmen zum Damenrahmen schlechthin. In Fachkreisen
heißt er hier dames bocht (gebogener Damenrahmen), seit den 70er-Jahren
kennt man ihn jedoch allgemein als omafiets (Omarad). In Frankreich war
dieser Rahmen schon vor dem Schwanenhalsrahmen verbreitet und heißt er analog zur
niederländischen Bezeichnung cadre courbé (gebogener Rahmen). Im
Nachhinein wurde die Bezeichnung col de cygne fälschlicherweise auch für dieses Modell
übernommen.
In gleicher Weise wird dieser schwerpunktmäßig
englisch-holländische Rahmen auch in Deutschland manchmal Schwanenhals genannt. Außerdem
kursiert offenbar die Bezeichnung "englischer Rahmen" (doch Vorsicht: auch das
folgende Modell 3 wird teilweise so genannt!), und einmal traf ich die Bezeichnung
"Wiegerahmen" an. Ein Wiegerahmen kommt jedoch auch im Motorradbau vor und
bezeichnet hier etwas völlig anderes, genauso wie im Französischen die wörtliche
Übersetzung "berceau", die für einen wiederum andersartigen Damenrahmen der
letzten Jahrzehnte steht. Eine ähnliche Bedeutungsvielfalt wie beim Wiegerahmen gilt
nebenbei gesagt auch für den verwandten Ausdruck Doppelrohrrahmen.
Eine schlüssige deutsche Benennung für das
fahrradhistorisch doch sicher nicht unbedeutende Modell 2 konnte ich nicht finden.
Modell 3:
zwei gerade, mehr oder weniger parallele Rohre
In alten englischen Prospekten sind z. T. abenteuerliche Varianten dieses Rahmens zu
finden, wobei die beiden Rohre mal beim Steuerkopf, mal über dem Tretlager fast in einem
Punkt zusammenlaufen. Am häufigsten ist jedoch die parallele oder fast parallele Variante
anzutreffen, erst als Tourenrad und ab den 50er-Jahren in großer Zahl auch als Sportrad.
Da auch dieser Rahmen seine Wurzeln im Mutterland der
Fahrradindustrie hat, wird er in Frankreich traditionell cadre anglais
genannt. Auch in Deutschland kommt die Bezeichnung "englischer Rahmen" vor, sie
wird jedoch offenbar nicht exklusiv hierfür verwendet. Übrigens sollte ein
"englischer Rahmen" nicht mit einem "englischen Modell" verwechselt
werden. Letzteres kann sich auch einfach auf die typisch englische Ausstattung eines Rades
(Lenker mit geradem Mittelstück, auf die Felgeninnenseite wirkende Steigbügelbremsen,
geschlossener Kettenkasten aus Blech) beziehen. In den Niederlanden heißt dieses Modell 3
"frame met parallele buizen" oder auch parallelframe, ein
Ausdruck, den ich in Deutschland ebenfalls antraf. Es stehen also zwei Bezeichnungen zur
Wahl, die beide nicht frei von Zweideutigkeit sind, persönlich würde ich jedoch Parallelrohrrahmen
als den am wenigsten verwirrenden Namen vorziehen. In England scheint dieser Rahmen wie
bereits das Modell 2 nur einfach "ladies' bicycle" zu heißen. Ein
englischer Fahrradkenner schlug als Bezeichnung parallel frame oder noch besser parallel
down-tube frame vor.
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Hier also
noch einmal zusammengefasst die in den verschiedenen Sprachen gängigen oder wenigstens zu
empfehlenden Bezeichnungen für die genannten drei Modelle:
Modell |
1 |
2 |
3 |
Deutsch |
Schwanenhals |
? |
Parallelrohrrahmen,
(englischer Rahmen) |
Englisch |
serpentine
frame, double bent frame |
loop
frame |
(parallel
frame, parallel down-tube frame) |
Niederländisch |
zwanehals |
dames
bocht, omafiets |
parallelframe |
Französisch |
col
de cygne |
cadre
courbé |
cadre
anglais |
Abgesehen von den Ausdrücken, die sowieso unbestritten sind, erhebt diese Übersicht
natürlich keinen absoluten Gültigkeitsanspruch (wenngleich ich mich persönlich bis auf
Weiteres an diese Terminologie halten will), sondern soll einerseits denjenigen, die dies
praktisch finden, als unverbindliche Richtschnur dienen, und andererseits zu weiteren
Vorschlägen, Meinungen und Kritik anregen. Mitteilungen jeglicher Art per E-Mail sind denn auch sehr
erwünscht.
An dieser Stelle möchte ich mich noch bei den Leuten
bedanken, die zu diesem Thema beigetragen haben: Otto Beaujon, Michael Mertins, Steffen
Milew, Ron Sant, Andree Schote, Tilman Wagenknecht und Jan de Wilde.
Andreas Jankowitsch hat noch einen interessanten Scan
aus einem NSU-Prospekt beigetragen, der gut zu diesem Thema passt.
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