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Die Entwicklung des Faltrads in den Niederlanden (Teil 2) |
Das Auto verhilft dem Faltrad zum Durchbruch
Die 1950er Jahre läuteten eine neue Phase der Faltradgeschichte ein. Nach 60 Jahren als fahrradhistorische
Randerscheinung eröffnete sich dem Faltrad endlich eine Anwendung, die diesen Fahrradtyp zu einem festen Bestandteil
des Angebots für Radfahrer machen würde: als mitnehmbares Rad für Autofahrer. Der in den 1950er und 1960er Jahren
stark wachsende niederländische Wagenpark machte es möglich. Mit einem Falt- oder Zerlegerad im Kofferraum konnte
der Autofahrer dort, wo er mit einem Auto nicht weiter konnte oder wollte, bequem aufs Rad umsteigen. Er konnte mit
dem Auto aus der Stadt herausfahren, um per Faltrad die Natur zu erleben, und umgekehrt konnte er dank seines
Faltrads auch die Innenstädte mit ihren zunehmend verstopften Straßen und mangelnden Parkgelegenheiten gut erreichen.
Die Idee, bei einer Autofahrt ein Fahrrad mitzunehmen, um bei Bedarf leicht auf zwei
Rädern weiterfahren zu können, war nicht neu. So berichtete das Utrechts Nieuwsblad vom 10. August 1908, dass
der Gemahl von Königin Wilhelmina, Prinz Hendrik, bei Burgers ENR ein faltbares Fahrrad bestellt hatte – zweifellos
ein van Wagtendonk –, um es in einem Futteral auf dem Dach seines Autos mitzunehmen, "so dass bei einem Unfall
oder einer Autopanne dennoch ein schnelles Transportmittel zur Hand ist, um bei Bedarf Hilfe holen zu können."
1938 hatte Simplex einer eigenen Pressemitteilung von 1964 zufolge auch bereits ein
faltbares "Autorad" herausgebracht, ein Beweis für diese Behauptung liegt jedoch nicht vor. Nachahmer in
größerer Zahl sollte Prinz Hendriks Beispiel erst nach einigen weiteren Jahrzehnten finden. In Japan wurden schon in
den frühen 1950er Jahren Falträder produziert. Dabei wurden auch die USA als Absatzmarkt anvisiert. Doch es war letztlich
das Beispiel Deutschlands, durch das die niederländischen Fahrradhersteller auf die wachsende Bedeutung des Faltrads
aufmerksam wurden. In der Fachzeitschrift "De Nederlandse Rijwielhandel" wurde ab Mitte der 1950er Jahre
wiederholt auf die zunehmende Nachfrage nach Falträdern hingewiesen und blickten die Redakteure ihren deutschen Kollegen
vom "Radmarkt" über die Schulter.
Am 28. Juni 1957 schrieb De Nederlandse Rijwielhandel: "Wir wissen sehr wohl,
dass die Fertigung spezieller Fahrräder [gemeint sind hier Falträder] eine einschneidende Änderung der Produktionsanlagen
verlangt und somit auch hohe Investitionen erfordert. Auch ist uns voll und ganz bewusst, dass man für Sondermodelle
einen Markt schaffen muss, was wiederum viel teure Reklame bedeutet. Dennoch denken wir, dass in dieser Hinsicht etwas
unternommen werden muss, sobald sich Aussicht auf Erfolg zeigt. Diese Aussichten sind hier vorhanden."
Ein Jahr später, am 2. Mai 1958, wird der Ton noch etwas fordernder: "Seit wir in
unserem Blatt vom 14. März dieses Jahres einen illustrierten Artikel über faltbare japanische Fahrräder für Autofahrer
abgedruckt haben – Quelle: Radmarkt –, sind in dieser Zeitschrift verschiedene Artikel über derartige Räder erschienen,
die in Westdeutschland produziert werden. Wir können uns nicht des Eindrucks erwehren, dass unsere Nachbarn im Osten nicht
gewillt sind, diesen Bereich – wie wir bereits mitteilten besteht unter anderem in Amerika, dem weltweit größten Absatzmarkt
mit der größten Kaufkraft, großes Interesse an Falträdern – den Japanern allein zu überlassen. Wie verhält sich unsere
niederländische Industrie in dieser Sache? Wartet man auf Japan, Deutschland oder bald vielleicht auch Frankreich? Wir wissen
es nicht. Was wir jedoch wissen ist, dass es zwar noch keinen festen Markt für Falträder gibt, ein Bedarf ist aber gewiss
vorhanden! ... Wo dürfen wir das erste niederländische Faltrad ausprobieren kommen? Wann können unsere niederländischen
Handelsreisenden damit den großen Teich überqueren? Wir sind gespannt." Die Redaktion würde sich noch einige Jahre
gedulden müssen.
Der Gedanke, ein Faltrad zur Mitnahme
im Auto zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, war Ende der 1950er Jahre in den Niederlanden bereits vorhanden, wie
in Teil 1 dieses Artikels zu lesen ist. Keiner der Hersteller war allerdings zu diesem Zeitpunkt schon bereit, sich auf
diesem Gebiet entsprechend zu engagieren. Das war in Deutschland anders: Bereits 1953 hatte die Firma Meister (Bielefeld)
ein Zerlegerad unter dem vielsagenden Namen "Auto-Rad" auf den Markt gebracht, das parallel auch unter der Marke
Phänomen angeboten wurde. Die Konstruktion dieses Rades stammte von dem Hamburger Erfinder Wilhelm Paul Bayerbach, der
1951 einen entsprechenden Patentantrag gestellt hatte. Das Zerlegerad von Meister/Phänomen war mit seinen 28-Zoll-Rädern
jedoch auch im zerlegten Zustand noch zu groß für den Kofferraum der meisten Pkws.
Ein anderes frühes Zerlegerad war das "Pfiff" der Panther-Werke in Braunschweig
(siehe dazu Michael Mertins Artikel über Kurt Nitzschke in der Zeitschrift Knochenschüttler Nr. 38), das ab 1957 von
den Braunschweiger Panther-Werken hergestellt wurde. Dieses wegweisende Modell sollte auch für die Niederlande eine besondere
Bedeutung erlangen.
Kamp und das
"Auto-Cycle"
In den Niederlanden gab es zum damaligen Zeitpunkt noch keinen Importeur oder Hersteller, der ein Faltrad liefern konnte.
Der Den Haager Großhändler F. Kamp sollte der erste sein. Er war überzeugt, dass sich das Panther-Zerlegerad auch in
den Niederlanden gut würde verkaufen lassen und übernahm im Oktober 1958 den Import dieses Modells, das er unter dem Namen
Panther "Auto-Cycle" auf den Markt brachte. Das neuartige Fahrradmodell weckte das Interesse der Medien: am
13. November 1958 strahlte das niederländische Fernsehen eine Reportage über Kamp und sein "Auto-Cycle" aus,
und zwei Wochen später gab Kamp eine Pressekonferenz. In der Fachzeitschrift "De Nederlandse Rijwielhandel" vom
28. November 1958 erschien ein Artikel über dieses Rad. Drei Monate später stellte Kamp das "Auto-Cycle" auf
der RAI-Messe als erstes Falt- bzw. Zerlegerad seit den Modellen der Jahrhundertwende vor.
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Anzeige von F. Kamp (De Nederlandse Rijwielhandel, 28. November 1958)
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Wie reagierten die niederländischen Fahrradhersteller auf die Einführung
des Auto-Cycle? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir noch einmal einen Blick zurück in das Jahr 1956 werfen. Am
5. September dieses Jahres berichtete die Tageszeitung 'Leeuwarder Courant' über einen Doktor Landeweer aus Havelte
(Provinz Drenthe), der ein nicht näher beschriebenes Faltrad erworben habe, das er für Hausbesuche bei in abgelegenen
Gebieten wohnenden Patienten in seinem Kofferraum mitführte. Nach diesem Bericht in einer Regionalzeitung wurde Landeweer
mit Fragen interessierter Kollegen regelrecht bombardiert, so die Leeuwarder Courant.
Erste Zerlegeradkonstruktion der Nachkriegszeit von Simplex
(1959)
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In einer Kolumne in der Händlerzeitschrift der Fahrradfabrik Simplex,
"Hier is Simplex", stand daraufhin noch im selben Monat zu lesen: "Nun, mich schaudert dabei geradezu.
Mag sein, dass Herr Landeweer mich sehr konservativ findet, aber ich habe lieber ein echtes, stabiles Rad ohne Haken
und Ösen. Es wurde schon so viel mit Fahrrädern experimentiert – mit dem Ergebnis, dass man immer wieder zur ursprünglichen
Form unseres treuen stählernen Rosses zurückgekehrt ist. ... Was erfahrenen, in ihrem Fach großgewordenen Fahrradkonstrukteuren
nicht gelungen ist, wird auch Herrn Doktor Landeweer nicht gelingen, nämlich ein faltbares Rad zu konstruieren, das es –
als Serienprodukt – gegen das herkömmliche Fahrradmodell aufnehmen kann."
Eine solche ablehnend-konservative Haltung gegenüber Neuheiten im Fahrradbereich war damals
in den Niederlanden weit verbreitet. Die niederländische Fahrradindustrie war Ende der 1950er Jahre intensiv mit der
Eroberung eines Marktanteils für die eigene Sportradkollektion beschäftigt, mit dem Entwickeln immer wieder neuer Mopedmodelle
und last but not least mit der dringend notwendigen Senkung der Fertigungskosten. Vielleicht waren das die Gründe, warum man
die Falträder so lange links liegen ließ. Wenn überhaupt etwas in dieser Richtung unternommen wurde, so geschah es jedenfalls
vorläufig noch hinter den Kulissen.
Doch der Medienwirbel um das Panther "Auto-Cycle" von Kamp zwei Jahre nach dem
Landeweer-Fahrrad brachte Simplex offenbar dazu, diese ablehnende Haltung zu korrigieren, denn am 15. April 1959 stellte
Simplex als erster niederländischer Fahrradhersteller nach dem Zweiten Weltkrieg einen Patentantrag für ein Zerlegerad,
dessen Grundform dem Panther "Auto-Cycle" sehr ähnelte. Die Zerlegekonstruktion des Rahmens war jedoch grundlegend
anders. Der Rahmen des Simplex-Zerlegerads musste an zwei Stellen gelöst werden, um ihn teilen zu können: oberhalb des
Tretlagers und bei der Sattelklemmschraube. Es blieb vorläufig bei diesem Patentantrag. Erst fünf Jahre später präsentierte
Simplex auf der RAI-Zweiradmesse einen Prototyp dieses Zerlegerads.
Union Strano
In den Jahren bis zum Durchbruch des Faltrads in den Niederlanden 1964 erregten noch zwei (nicht faltbare) Kompakträder ein
gewisses Aufsehen: das "Moulton" und das Union "Strano". Das "Moulton" war eine englische Erfindung
von 1962 mit einer sehr innovativen Konstruktion. Es war ein kompaktes, vollgefedertes Rad mit tiefem Durchstieg und (anfänglich)
17-Zoll-Laufrädern. 1963 ging dieses Rad in England in Serie, die Angaben über die Wochenproduktion schwanken zwischen 1.000 und
1.500 Stück. Damit bewies das Moulton, dass die Zeit für ein solches Modell reif war und dass ein Kompaktrad ein Verkaufserfolg
sein konnte. /8/
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Das zweite frühe Kompaktrad, das "Strano", war ein inländisches Modell. Es wurde am 13. Juni 1963 von der
niederländischen Fahrradfabrik Union der Presse vorgestellt. Das Strano war 55 cm kürzer als die damals üblichen
Sporträder. Diese kurze Bauform wurde dadurch erreicht, dass sich der halbkreisförmige Lenker unter dem Sattel befand
und das Vorderrad nur 12 Zoll Durchmesser hatte. Wenn man das Rad im Auto mitnehmen wollte, konnte man das Packvolumen
durch das Abnehmen des Lenkers noch verkleinern.
Die Idee für dieses Rad stammte von B.M.M.J. Overing aus Deventer, einem privaten Erfinder,
der nach eigener Aussage eineinhalb Jahre an einem Rad gearbeitet hatte, das ins Auto passen sollte, ohne dass der Rahmen
falt- oder zerlegbar sein sollte. Overing hatte das Rad zunächst nur für den eigenen Gebrauch entwickelt; erst als das
Rad fertig war, kam er auf die Idee, es Union zur Fertigung anzubieten, und ließ sich im Dezember 1962 die Konstruktion
patentieren. Union lobte das "Strano" als eine "völlig neue Konstruktion im Fahrradbereich", aber in
Wirklichkeit waren ähnliche Modelle in verschiedenen anderen Ländern seit Jahrzehnten bekannt, wie beispielsweise das
italienische Velocino.
Union sah das "Strano" nicht nur für die Mitnahme im Auto als besonders geeignet
an, auch Wohnwagentouristen, Menschen mit kleiner Wohnung und Familien mit mehreren Schulkindern, "für die das
Abstellen der Räder ein chronisches Problem ist" sollten mit dem kompakten Rad angesprochen werden. Der Preis war
gewiss kein Hinderungsgrund für die Erschließung größerer Käufergruppen, denn das "Strano" kam für 126 Gulden
auf den Markt, vergleichbar mit dem Preis für ein Jugendrad. /9/
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Poster zur RAI-Zweiradmesse 1964
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Die Tweewieler-RAI 1964
Vom 28. Februar bis
7. März 1964 wurde in Amsterdam die 48. RAI-Zweiradausstellung organisiert, die erste Messe dieser Art seit 1961. In den
dazwischen liegenden Jahren waren auf Fahrradmessen im Ausland regelmäßig Falträder vorgestellt worden, während es in den
Niederlanden – wie oben beschrieben – in dieser Hinsicht scheinbar keine erkennbare Entwicklung gab und Falträder keine Rolle
spielten. Um so überraschender ist dann der "Ausbruch" eines regelrechten Faltrad-Booms auf der RAI 1964.
Frans Oudejans, Journalist der niederländischen Tageszeitung 'Volkskrant', beschrieb dieses Phänomen am 28. Februar 1964 mit
ironischem Unterton wie folgt:
"In 21 Ausführungen bringen zahlreiche Importeure und
Hersteller wie auf Verabredung so genannte Falträder auf den Markt. Das sind Fahrräder in zusammenklappbarer Form, die
einfach zu demontieren sind. Im Kofferraum oder auf dem Rücksitz des Autos ruhend, kann das Rad einen Teil der Fahrt
mitfahren. An der Grenze des 'Unparkbaren' angelangt steigt der Herr Autofahrer aus, nimmt sein Fahrrad und strampelt
weiter in Richtung des städtischen Gewühles, unbekümmert, die Muskeln trainierend, über die verstopften Straßen lachend
(und manchmal grummelnd weil es so regnet). Wenn es an der RAI liegt, ist diese soziale Revolution Wirklichkeit.
Das Wort Faltrad ist eine Erfindung der Fabrikanten. Sie sind selbst nicht recht glücklich
darüber, aber ihre verbalen Fähigkeiten reichten nicht weiter. Also gilt es abzuwarten, was das einfache Volk daraus machen
wird, welchen echten Namen es ihm geben wird, so wie Fiets [Fahrrad] und Brommer [Mofa] auch aus dem Volksmund zu
stammen scheinen. Dieser Volksmund wird nicht lange nach Inspiration zu suchen brauchen, wenn die Faltradfahrer erst einmal
durch die Straßen ziehen. Manche Fabrikate sind nicht von normalen Fahrrädern zu unterscheiden – leider auch nicht in Farbe
und Gewicht –, aber es gibt einige Modelle, die so unglaublich aussehen, dass viereckige Räder kaum daran auffallen würden.
Diese rollenden Halbstarken betteln geradezu um einen Spitznamen. Sie sehen aus wie eine
Kreuzung aus einem Sputnik [der erste Satellit im All, 1957] und einem Handkarren und machen keinerlei Zugeständnisse an
die Ästhetik. Wenn man weiß, dass der Lenker hinter dem Rücken verborgen ist und das die Laufräder kaum größer sind als
die eines Kinderrollers, dann weiß man auch, dass der RAI-Vorstand für diese Modelle eine große Zukunft im Sinn hat: als
Bereicherung der 'Kuriositätensammlung'." |
Diese letzte Bemerkung von Oudejans galt natürlich dem Union "Strano",
das auch auf der RAI ausgestellt wurde, wo darüber hinaus an einem gesonderten Stand unter dem Nenner "Kurioses" auch
wirklich eine Kollektion Museumsfahrräder stand. Oudejans hatte also kein Vertrauen in die Absatzchancen der ungewöhnlicheren
Falt- und Zerlegerad-Konstruktionen, womit er, so weit es das Strano anging, später recht behalten sollte: es wurde ein Flop.
Einen positiven Aspekt sah Oudejans an dem "Strano": "Der einzige Vorteil ist, dass einer dieser praktischen
'Scherzartikel' mit 135 Gulden nur die Hälfte dessen kostet, was die anderen Modelle kosten. Denn billig sind diese Fahrräder
keineswegs." Das stimmte: mit 250 – 300 Gulden bewegten sich die übrigen Falt- und Zerlegeräder aus niederländischer
Produktion an der Obergrenze dessen, was gewöhnliche Fahrräder seinerzeit kosteten.
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Speziell für Falträder eingerichteter RAI-Messestand. Die Besucher konnten am bereitstehenden
Auto das Verstauen des Faltrads
im Kofferraum selbst ausprobieren. (Le Cycle, März 1964)
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Testbahn für Falträder
(Le Cycle, April 1964)
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Stand 58
Die RAI-Organisatoren hatten beschlossen, dem Publikum das neuartige
Phänomen der Falt- und Zerlegeräder auf einem gesonderten Stand näherzubringen. Am Stand Nr. 58 waren alle 21 Modelle
konzentriert (im Laufe der Messe wurde noch ein 22. nachgereicht), so dass sich die Besucher alles ansehen, vergleichen und
vor allem ausprobieren konnten. Für letzteres war eigens eine Teststrecke eingerichtet worden. Außerdem hatte man an dem
Stand einen DAF-Kleinwagen aufgestellt, damit das Ein- und Ausladen der Falträder in einen Kofferraum demonstriert und geübt
werden konnte.
Insgesamt zeigten auf der RAI sieben niederländische Hersteller acht Eigenkonstruktionen und
ein importiertes Modell. Außerdem waren noch drei niederländische Importeure mit jeweils einem Modell zu sehen sowie zehn
ausländische Modelle, die noch keinen niederländischen Importeur gefunden hatten. Insgesamt wurden also 22 Modelle präsentiert,
davon acht niederländische, acht deutsche, drei französische und je ein englisches, italienisches und japanisches Modell.
Dabei fällt die große Zahl deutscher Falträder auf – ein Zeichen dafür, dass Deutschland in
diesem Bereich bereits 1964 viel weiter war, zumal, da sich ein Teil der gezeigten niederländischen Modelle noch im
Prototypenstadium befand. Trotzdem sollte später keines der ausländischen Modelle in den Niederlanden einen nennenswerten
Absatz finden. Die Tabelle zeigt eine Übersicht der Modelle am Stand Nr. 58.
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Marke |
Modell |
Faltrad (F) / Zerlegerad (Z) |
Herkunft |
Laufradgröße |
Verkäufer in NL |
Gazelle |
Kwikstep |
F |
Gazelle (NL) |
24" |
Gazelle |
Fongers, Phoenix, Germaan |
Compact |
Z |
PFG (NL) |
24" |
PFG |
Burgers |
Autobike |
Z |
Pon (NL) |
24" |
Pon |
Batavus |
Portable |
Z |
Batavus (NL) |
26" |
Batavus |
Smink/Union |
Klapfiets/ Arizona |
F |
G.A. Smink (NL) |
24" |
Union |
Union |
Strano |
weder
noch |
Union (NL) |
12"/24"
und 12"/26" |
Union |
Simplex |
|
Z |
Simplex (NL) |
24" (?) |
- |
Simplex |
|
F |
Simplex (NL) |
26" (?) |
- |
Magneet |
|
Z |
René Herse (FR) |
26" (?) |
- |
Moulton |
|
Z |
BMC (GB) |
16" |
RS Stokvis |
Mobylette |
|
Z |
Motobécane (FR) |
26
oder 28"(?) |
Kaptein |
Gitane |
Plicyclette |
Z |
Gitane (FR) |
24" (?) |
? |
Vilettar |
|
Z |
Westerheide (D) |
26" |
Anglo Dutch |
7 andere merken/modellen |
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(Deutschland) |
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? |
Silk |
Porta-cycle |
F |
Katakura
(J) |
16" |
? |
Bianchi |
|
Z |
Bianchi (I) |
20" |
? |
Auf der Tweewieler-RAI 1964 vorgestellte Falt- und Zerlegeräder
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Im Folgenden sollen einige wichtige bzw. interessante Modelle, die auf der RAI-Messe ausgestellt wurden, kurz besprochen
werden.
Gazelle "Kwikstep"
Schon ein paar Wochen vor der RAI-Messe stellte Gazelle sein
"Kwikstep"-Faltrad der Presse vor. Das Besondere an dieser Konstruktion war, dass das Scharnier nicht senkrecht, sondern
horizontal unter dem Tretlager angeschweißt war. Dabei war der Bolzen leicht schräg liegend angebracht, so dass die beiden
Laufräder beim Falten nicht gegeneinander stießen, sondern sich nebeneinander legten. Eine am Sattelrohr angebrachte Schiebemuffe
sicherte den Rahmen in ausgefaltetem Zustand. Das Anheben und Falten des "Kwikstep" erforderte relativ viel Kraft, doch
konnte das Rad mit im Vergleich zu anderen Rädern dieser Gattung hervorragenden Fahreigenschaften überzeugen. Das
"Kwikstep"-Faltrad – nicht zu verwechseln mit seinem Nachfolger, dem ab 1967 gebauten Gazelle
"Kwikstep"-Zerlegerad – war später mit Abstand das meistverkaufte Faltrad unter den auf der RAI 1964 präsentierten
niederländischen Modellen.
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Gazelle Kwikstep (Gazelle-Faltblatt 1964)
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Batavus "Portable"
Das "Portable" von Batavus machte, abgesehen von einer leicht reduzierten
Rahmenhöhe, äußerlich keinerlei Konzessionen an den für Falträder geforderten kompakten Bau. Normale 26-Zoll-Laufräder, normale
Rahmenform, wahlweise in Damen- oder Herrenausführung. Das Rad war zwar in hohem Maße und ohne großen Aufwand zerlegbar in
Vordergabel mit Vorderrad, Hauptrahmen und Hinterbau mit Hinterrad, ergab jedoch dann ein unpraktisches Paket aus losen Teilen,
das insgesamt wegen der großen Laufräder noch immer sperrige Dimensionen hatte. "Kofferraumtauglich" war das
"Portable" damit wohl kaum; es war eher als Alltagsrad ausgelegt, das hin und wieder zerlegt werden konnte, wenn es
aus Platzgründen erforderlich war. Dieses Rad ist heute in den Niederlanden selten, wenn auch noch keine absolute Rarität.
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Batavus Portable (F4, 4. Juni 1965)
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Fongers "Compact"
Das Fongers "Compact" war eine Entwicklung der fusionierten Fabriken
Phoenix, Fongers und Germaan und wurde später auch unter den Marken der Fongers-Fusionspartner verkauft. Das "Compact"
trug seinen Namen zurecht, denn es handelte sich tatsächlich - trotz des Raddurchmessers von 24 Zoll - um ein kompakt gebautes
Zerlegerad. Die Grundkonstruktion war solide; das Rad war außerdem mit verschiedenen kleinen technischen Finessen versehen. So
wurde die Steckkonstruktion (mit einstellbarem Spiel!) durch ein Zylinderschloss gesichert; Sattelrohr und Lenkerschaft waren
mit einer Einrichtung versehen, durch die sie beim Zusammenbauen immer in der ursprünglichen Höhe und Ausrichtung standen. Unter
dem Tretlager war ein Bockständer montiert, der beim Demontieren ein Umfallen verhinderte. Das "Compact" muss früher
in vergleichbaren Stückzahlen wie das Batavus "Portable" verkauft worden sein, da beide heute ungefähr gleich selten
sind.
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Fongers Compact (F4, 4. Juni 1965)
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Burgers "Autobike"
Das Burgers "Autobike" wurde 1964 auf der RAI noch als Prototyp
vorgestellt, die Serienproduktion begann erst Ende des Jahres. Der Rahmen dieses Zerlegerads bestand im Wesentlichen aus einem
Zentralrohrrahmen, dessen teilbares, ovales Hauptrohr gerade verlief und zum Tretlager hin zusätzlich abgestützt war. Diese
Konstruktion weist große Ähnlichkeit zum "Plicyclette"-Zerlegerad des französischen Herstellers Gitane auf, das
ebenfalls auf der RAI-Messe 1964 gezeigt wurde.
Das Werbefaltblatt zum Autobike versprach: "Mit nur einem Inbusschlüssel kann man in 2 Minuten
das ganze Rad zusammenbauen". Außer für die Rahmenteilung konnte der Inbusschlüssel auch zum Festziehen der Pedale und der
Sattelstütze verwendet werden, während der Lenker mit einem Drehgriff (de)montierbar war (siehe Abbildung). Gegen Aufpreis wurden
zwei Tragetaschen mitgeliefert, in die die beiden Rahmenhälften passten. Dieses Rad ist heute sehr selten.
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Burgers Autobike (Faltblatt)
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Simplex-Faltrad
Simplex stellte auf der RAI-Ausstellung gleich zwei Prototypen vor: ein
Zerlegerad mit U-förmigem Einrohrrahmen nach dem bereits erwähnten eigenen Patent von 1959, und ein Faltrad. Das Faltrad
bestand aus einem gewöhnlichen Herrenrahmen, der jedoch in der Mitte demontierbar war. Das Unterrohr konnte durch eine
Schraubmuffenverbindung geteilt werden, während das Oberrohr durch zwei Kreuzgelenke, die ebenfalls durch eine Muffe gesichert
werden konnten, faltbar war. Das Mittelstück zwischen den Kreuzgelenken sorgte dafür, dass die beiden Rahmenhälften problemlos
nebeneinander gelegt werden konnten. Allerdings dürften diese Kreuzgelenke auch für viel Instabilität beim Falten des Rades
gesorgt haben. Das Rad war zusätzlich mit einem klappbaren Lenker ausgestattet. Beide Simplex-Modelle tauchten nach der
RAI-Messe nicht mehr auf und sind also nie in Serie gegangen.
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Simplex-Faltrad (Fietsenwereld, 20. März 1964)
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Es würde zu weit führen, hier auch alle weiteren
niederländischen und ausländischen Modelle zu besprechen, die auf der 1964er RAI gezeigt wurden. Eines der ausländischen Modelle
soll aber wenigstens erwähnt werden: das Silk "Porta Cycle" von Katakura Industries in Tokio. Mit seinen kleinen
Laufrädern und dem kompakten geschweißten Rahmen mit Spannverschluss war dieses Faltrad den anderen Modellen um Jahrzehnte voraus;
es ähnelt bereits sehr den heutigen Typen. Das niederländische Publikum war jedoch noch nicht reif dafür.
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Silk "Porta Cycle" von Katakura (Le Cycle, März 1964, Zeichnung: D. Rebour)
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Reaktionen
der Presse
Die RAI-Zweiradmesse und speziell auch die besondere Hervorhebung der Falträder auf dieser Ausstellung wurde im niederländischen Fachblatt 'Fietsenwereld', aber auch in ausländischen Fachzeitschriften ausgiebig besprochen. Der 'Radmarkt' berichtete in der März- und der April-Ausgabe ausführlich über diese Veranstaltung. Schon die Überschrift brachte den Eindruck der Redakteure gut auf den Punkt: "Zweiräder in einem Blumenmeer – Geburtsstunde des holländischen Klapprades". Die RAI-Organisatoren hatten "Frühling" als Dekorationsthema für die Aussteller vorgegeben, und dieses Thema wurde dann auch von vielen Ausstellern aufgegriffen, nicht nur mit üppigen Blumendekorationen, sondern beispielsweise auch mit künstlichen Bächen, Bäumen, Springbrunnen und einer Windmühle. Am Gazelle-Stand gab es gar eine riesigen Seerose, deren Blätter sich regelmäßig schlossen und wieder öffneten und in der Mitte den Blick auf ein schickes Damensportrad freigaben. Der Radmarkt schwärmte: "Wohl noch nie wurden Zweiräder auf einer Ausstellung in einem solchen Rahmen präsentiert!"
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Gazelle-Stand auf der RAI-Zweiradmesse (Radmarkt 4/1964 S. 19) |
Das Faltradangebot beurteilte der Radmarkt wie folgt: "Was war nun das Besondere dieser Ausstellung? Unstreitig das erstaunliche Massenangebot neuer holländischer Klappräder, denen hier ein Sonderstand und eine Versuchsbahn eingeräumt worden war. Man registrierte eine erstaunliche Vielfalt von Rahmenverbindungen, von denen keine der anderen glich." Diese Kreativität der holländischen Konstrukteure war tatsächlich bemerkenswert. Doch gleichzeitig erkannte man das Problem, das dieser "Faltrad-Boom" mit sich brachte: "Nicht sicher ist es, ob alle Modelle in die Produktion gehen werden. ... So leicht wird keine Fabrik auf eine Produktionshöhe kommen, die erhebliche Renditen abwirft; dazu ist das Angebot bereits zu groß, zu viele stürzen sich auf das neue Produkt." /10/
Hinzu kam die noch immer schwierige Akzeptanz dieser neuartigen Fahrräder beim niederländischen Publikum. Zwar herrschte am Faltradstand reger Betrieb, und viele Besucher wollten diese neuen Räder einmal ausprobieren, doch zeigten sich die Besucher reserviert, wenn es darum ging, ob sie sich im Alltag auf einem solchen Gefährt mit kleinen Laufrädern zeigen wollten. Auch die nicht geringen Preise und das teilweise hohe Gewicht der Falträder sorgten vielfach für Skepsis. /11/
Auf die anfängliche Faltradeuphorie unter den Herstellern folgte nach der Messe der große Kater. Ein Teil der Prototypen ging nicht in Serie, und die Pläne dafür verschwanden in der Schublade. Auch die 1964 vorgestellten niederländischen Falt- und Zerlegeräder, die tatsächlich produziert wurden, erwiesen sich als wirtschaftlich nicht erfolgreich; keines davon war länger als zwei bis drei Jahre auf dem Markt. Die RAI 1964 war somit zunächst nur ein wichtiger Impuls für die Entwicklung der niederländischen Falt- und Zerlegeräder, wie auch für die neuartigen Kompakt- oder Familienrädern mit kleinen Laufrädern. Die Unternehmen stellten sich zwar auf diesen neuen Trend ein, agierten aber vorsichtig: 1965 wurde kein einziges neues Modell nachgeschoben. Ab 1966 erschienen dann Falt- und Zerlegeräder in allerlei neuen Versionen auf dem Markt, die teilweise stärker von dem Erscheinungsbild eines herkömmlichen Fahrrads abwichen als ihre Vorläufer von 1964. Doch zwischen 1964 und 1966 trat eindeutig ein Wandel der Auffassungen bei den niederländischen Käufern ein, denn diese Räder wurden nun tatsächlich gekauft und gefahren – Falt- und Zerlegeräder hatten sich als neuer Fahrradtyp etabliert.
Zusammenfassender
Rückblick
Falträder bieten ihrem Benutzer verschiedene Vorteile gegenüber einem gewöhnlichen Rad: man kann sie einfacher tragen, besser
im Haus unterbringen und sie bieten die Möglichkeit, das Fahrrad mit einem anderen Verkehrsmittel zu kombinieren. Diese drei
Möglichkeiten kennzeichnen auch die drei wichtigsten Phasen der Faltradentwicklung, wie sie sich in den Niederlanden darstellen:
Armeefalträder, Falträder bzw. Faltlenker für Stadtbewoner und Mobilität durch kombinierte Reisen mit dem Fahrrad und dem Auto,
Boot oder Zug. Wenngleich diese Phasen zeitlich aufeinanderfolgten, sind sie doch nicht streng voneinander zu trennen, da die
verschiedenen Konstruktionen nicht immer für nur einen bestimmten Zweck gedacht waren.
Die Anforderungen, die die Armee stellte, waren gute Tragbarkeit (geringes Gewicht) und gute
Fahreigenschaften auch auf schlechten Wegen. Diese Anforderungen erfüllten die Falträder um 1900 im Grunde genommen nicht,
und so blieb ihr Einsatz begrenzt. Die Falträder der Zwischenkriegszeit, die zur Lösung von Platzproblemen bei beengten
Wohnverhältnissen entwickelt waren, konnten diese Aufgabe erfüllen und waren daher erfolgreicher als die Militärfalträder.
Doch der Bedarf an zerlegbaren Rädern oder an faltbaren Lenkern war dann offenbar doch nicht so groß, dass die potenziellen
Käufer bereit gewesen wären, die Mehrkosten und die potenziell geringere Stabilität gegenüber einem herkömmlichen Rad in Kauf
zu nehmen. Deshalb kamen die Erfindungen dieser Zeit über den Status einer Randerscheinung nicht hinaus.
Es war letztlich der starke Aufschwung der Autonutzung, der den Weg für die schon lange bestehende
Idee ebnete, Fahrräder zu konstruieren, die mühelos auf ein handliches Packmaß reduziert werden konnten. Die in den 1950er
Jahren rasch wachsende Zahl von Autofahrern stellte zugleich ein großes Käuferpotenzial für Falt- oder Zerlegeräder dar. Die
konstruktiven Voraussetzungen für ein solches "Auto-Rad" waren kleine Laufräder, ein niedriger und kompakter Rahmen
mit ausziehbarem Sattelrohr und Lenkerschaft sowie leichtgängige aber sicher zu handhabende Scharniere bzw. Verschlüsse. Alle
diese Einzelelemente waren schon vor dem Zweiten Weltkrieg von einzelnen kreativen Konstrukteuren erfunden worden, die sich von
dem herkömmlichen Gedanken eines großen, hohen Fahrrads zu lösen verstanden hatten, doch warfen diese Elemente erst in den
1960er Jahren gemeinsam ihre Früchte ab.
Als vierte Phase der Faltradentwicklung könnte man die Nutzung faltbarer Fahrräder für kombinierte
Fahrrad- und Zugreisen nennen, denn dies ist seit den 1980er Jahren der Hauptverwendungszweck für Falträder in den Niederlanden
(und in anderen Ländern). Zerlegeräder haben sich für diese Verwendung als weniger geeignet erwiesen und spielen deshalb auch
kaum noch eine Rolle. Dagegen wurden Falträder in den letzten Jahren technisch immer weiter entwickelt und verbessert, weil sich
dieser Fahrradtyp seit dem Durchbruch in den 1960er Jahren als ein bleibender Bestandteil des Fahrradangebots etabliert hat.
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Quellen:
/8/ Fietsenwereld v. 30.8.1963, S. 1088
/9/ Union-Pressemitteilung v. 13.6.1963
/10/ Radmarkt Nr. 3/1964 S. 47
/11/ Fietsenwereld, verschieden Ausgaben März/April 1964
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Copyright by
Herbert Kuner, © 2009 ...
All rights reserved.
Last update: 16.01.2010
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